(Bericht: Cornelia Wiesmeier)

Der Herbst ist da! Und während manch einer an bunte Blätter, goldenes Licht und gemütliche Lesenachmittage denkt, bedeutet es für viele, dass sie ihre eben noch so präsenten Ambitionen in Bezug auf nachhaltige Mobilität durch Radfahren für die nächsten Monate einmotten, und auch für kürzere Wege im Ort aufs Auto zurückgreifen. Vermeintliche Gesundheitsrisiken aus kalten Temperaturen, Regen oder sogar Schnee, parallel zur Dunkelheit und den damit verbundenen möglichen Sicherheitsrisiken erscheinen vielen wie unüberwindbare Barrieren, die ihnen Radfahren im Herbst und Winter als absolut unattraktiv erscheinen lassen. Doch muss das im Jahr 2020 wirklich noch so sein? Hat eine Gesellschaft die Smartphones, Saugroboter und Cloud Computing entwickelt hat nicht inzwichen auch praktische Produkte entwickelt, die Fahrradfahren das ganze Jahr hinweg angenehm, gesund und sicher machen?

Frei nach dem Motto „Es gibt kein schlechter Wetter nur schlechte Kleidung“ hat Klimaaktiv-vor-Ort mittels eines Aktionsstandes während der Klimaaktiv mit dem Radl zum Einkauf Aktion am 10.10.2020 auf die möglichen Produkte und Optionen aufmerksam gemacht mit dem Ziel die Barriere zum Radlfahren auch im Herbst und Winter nachhaltig zu senken.

Welche Möglichkeiten habe ich also mich gegen Kälte, Nässe und Dunkelheit zu schützen? Im Folgenden sollen die Vor- und Nachteile der verfügbaren Optionen näher beleuchtet sowie praktische Tipps fürs Radfahen in der kalten Jahreszeit gegeben werden.

Kälteschutz – oder wie ich warm aber nicht komplett verschwitzt ans Ziel komme

Für ein wohltemperiertes Fahrradfahrgefühl im Herbst und Winter gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten – die optimale Kleidung ist hierbei stark vom jeweiligen Fahrradfahrtyp (gemütlich, dynamisch, rasant,…), der Länge des zurückzulegenden Weges sowie natürlich der Umgebungstemperatur und dem subjektiven Kältempfinden ab. Auf Basis langjähriger Alljahresradfahrerfahrung möchten wir einige Anregungen und Tipps geben,  die ideale Fahrradbekleidung für seine speziellen Anforderungen wird jedoch jeder durch Ausprobieren für sich selber herausfinden müssen.

Tipps für geeignete Bekleidung in Abhängigkeit von Fahhrweise (gemütlich und sportlich) und Umgebungstemperatur (Quelle: eigene Grafik).

 

Fangen wir also mit einem gemütlichen Fahrstil und herbstlichen Temperaturen um die 10°C an – hierbei muss man weder bei kurzen noch bei langen Strecken viel beachten – leichte Handschuhe gegen kalte Finger und je nach Empfindung eine Kopfbedeckung wie Mütze oder bei der stark empfohlenen Verwendung eines Fahrradhelms – ein leichtes Stirnband. Normale Hose und eine dünne Jacke werden komplett ausreichen. Je dynamischer der Fahrradstil oder bergiger der Weg, desto mehr sollte auf das altbekannte Zwiebelprinzip gesetzt werden – mehrere dünnere Schichten übereinander ermöglichen die optimale Anpassung an die Rahmenbedingungen. V.a. mehrere langarmige Shirt-lagen bieten viel Flexibilität – hierbei müssen mit Nichten extra Fahrradkleidung gekauft werden. Sehr gut eignen sich Jogging-, Wander oder Skibekleidung. Für sehr dynamische Radfahrer, die weitere Wege zurücklegen wollen, bietet sich eine bequeme da gepolstere Fahrrad- oder Jogginghose an.

Bei kälter werdenden Temperaturen um die Null Grad ist je nach Kältempfinden für gemütlche Radfahrer eine Strumpfhose/ Leggings unter der Alltagshose empfehlenswert. Dynsmischen Fahrer können spezielle Winterfahrradhosen oder warme Laufbekleidung verwenden. Für die Oberbekleidung kann entweder ein Parka – optimalerweie mit Kaputze gegen kalte Fahrtwinde – mit einer dünnen Unterschicht oder mehrere Schichten, wie z.B. aus Fleece und Laufshirts bei dünnerem Windbreaker gewählt werden.

Sinken die Temperaturen dann deutlich unter den Gefrierpunkt und ist die Fahrweise nicht die dynamischste, so haben sich Skihosen als effektive Methode der Fahrradbekleidung bei jeder Temperatur erwiesen. Auch Ski-Handschuhe eignen sich gut für das Rahfahren bei sehr kalten Temperaturen. Obacht ist bei Ski-Jacken geboten – diese sind häufig weniger warm und deutlicher kürzer als Parkas und bieten daher bei stark gebeugter Sitzposition nicht den besten Wärmeschutz für die Nieren. Aber auch hier gilt – ausprobieren!

 

Schutz vor Nässe – trocken durch den Regen

Regenwetter kann zugegebener Maßen sehr abschreckend auf Fahrradfahrambitionen wirken – es sind jedoch inzwischen eine Vielzahl toller Produkte auf dem Markt, die einem das Radln bei Regen deutlich erleichtern! Allen voran ist definitiv die Regenhose zu nennen. Sie verhindert nasse Hosen vom Regen oder von spritzenden Pfützen. Spezielle Modelle mit Reißverschluss an den Beinen erleichtern das An- und Ausziehen, sind jedoch auch potentielle (Schwach-) Stellen, an denen Regen eindringen kann. Beim Kauf einer Regenhose sollte daher auf die gute Verarbeitung der Nähte geachtet und ggf. nicht das allergünstigste Modell gewählt werden – im besten Fall wird sie einen über viele, viele Jahre begleiten, daher ist es ratsam eine wertige Variante zu kaufen. Auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit von Regenkleidung hat sich in den letzten Jahren viel getan. V.a. im Hinblick auf PFC-freie Imprägnierungen sowie die Verwendung von recycelten Materialien haben Firmen wie Vaude mit ihrem „Green Shape Label“ neue Maßstäbe gesetzt.

Ein Regencape bietet schnellen Schutz auch gegen starken Regen.

Alternativ oder zusätzlich zur Regenhose kann v.a. bei sehr starkem Regen ein Regencape zum Einsatz kommen. Unter diesem kann auch gleich ein Rucksack vor Regen geschützt werden. Bei der Verwendung eines Regencapes sollte man sich dem erhöhten Windwiderstand bzw. der Angriffsfläche für Windböen bewusst sein – an besonders windigen Tagen daher absolut nicht empfehlenswert. Varianten mit Knöpfen oder Kordeln zur Fixierung der Kaputze und der „Ärmel“ bieten besseren Halt gegen Wind und Wetter.

Eine ganz klare Kaufempfehlung sind Regengamaschen die dank Klettverschluss rasch an- und ausziehbar sind – diese halten nicht nur jegliche Art von normalem Straßenschuh trocken – sie schützen auch effizient vor Matsch & Fahrtwind und haben meistens noch sicherheitsverbessernde Reflektoren um die Sichbarkeit des Radfahrers auf Höhe der Autoscheinwerfer zusätzlich zu verbessern.

Gamaschen bieten praktischen Schutz gegen Nässe und Kälte.

Auch empfehlenswert ist ein Fahrradhelmregenschutz  – ebenfalls Schutz gegen Regen aber auch Wind und Kälte – am Anfang vom Herbst über den Helm gezogen kann er einen bis ins Frühjahr begleiten.

Bei sehr starkem Regen kann ein Rucksackregenschutz das Durchnässen von zumeist gegen kurze Schauer resistenten Rucksäcken deutlich verbessern. Als zusätzlicher Tipp – ein Rucksackregenschutz kann auch alternativ zur Abdeckung des Fahrradkorbs verwendet werden und so Einkäufe oder die Handtasche schützen.

 

Dunkelheit – Sicher durch die dunkle Jahreszeit

Selbst wenn man als Fahrradfahrer seine Umgebung an wolkigen Tagen oder in der Dämmerung oft noch gut wahrnehmen kann – Autofahrer sehen Radfahrer häufig zu spät, was regemäßig zu schweren Unfällen führt. Daher ist v.a. im Herbst und Winter eine gute Fahrradbeleuchung absolut unumgänglich – und nach Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) auch verpflichtend: Front- und Rückstrahler sowie verschiedene Reflektoren sind Pflicht. Fest verbaute Lichter am Fahrrad, die mittels Naben- oder Seitenläuferdynamo betrieben werden, sind dabei natürlich die erste Wahl, da sie immer dabei und stets einsatzbereit sind. Verfügt das geliebte Rad jedoch nicht über eine fest verbaute Beleuchtung, so gibt es inzwischen sehr gute, kostengünstige, wiederaufladbare Stecklichter auf dem Markt, die einen guten Schutz bieten (-hier würde ich ein Foto von meinem System machen & einfügen) – wie in diesem Test beschrieben.

 

Glätte – Sicherheit bei Eis und Schnee

Sind in einigen Städten die Fahrradwege zumeist bereits am frühen Morgen bereits gut geräumt – so ist dies in ländlicheren Gegenden bzw. bei der Abwesenheit von Fahrradwegen und an den Fahrbahnrandbereichen leider nicht immer der Fall. Obacht sollte dabei v.a. auf Brücken gegeben werden, da hier bereits gefrorene Bereiche auftreten könnten, auch wenn im umgebenden Bereich noch nichts gefroren ist.

Neben einer angepassten Geschwindigkeit und vorsichtigerer Fahrweise bieten sich Reifen mit tiefem Profil, die eine bessere Haftung auf jedem Untergrund aufweisen, an. Zudem können breite Reifen mit weniger Luftdruck gefahren werden, um den Halt zusätzlich zu erhöhen. Beabsichtigt man auf einer komplett verschneiten oder vereisten Strecke zu fahren, so gibt es inzwischen Spikereifen, die zu einer deutlich besseren Untergrundhaftung führen. Sie können mittels Variation des Reifendrucks auf nicht-vereistem oder -verschneitem Untergrund gefahren werden.

 

Gesundheitliche Effekte vom Radfahren im Winter

Abschließend wollen wir noch einen Blick auf die Einschätzung der gesundheitlichen Effekte des Radfahrens im Winter werfen. Im Gegensatz zu öffentlich Verkehrsmitteln ist man beim Fahrradfahren gerade in der Erkältungssaison deutlich weniger Bakterien und Viren ausgesetzt – was v.a. in Zeiten von steigenden Corona Infektionszahlen für viele ein wichtiges Argument sein sollte. Allgemein steigert laut dem Sportmediziner Dr. Dirk Lümkemann im Interview mit der TZ das Radfahren die Funktion des Immunsystems im Vergleich zu Menschen, die sich weniger bewegen, was zu selteneren Erkältungen führt [1]. Laut dem Sportmediziner Dr. Achim Schmidt sei kalte Luft per se nicht schädlich für die Atemwege, das Einatmen durch die Nase stellt jedoch sicher, dass die kalte Luft angewärmt wird bevor diese in die Bronchen gelangt [1].

Weiterhin ist die antidepressive und stimmungsaufhellende Wirkung von regelmäßigem Radfahren zu nennen, die auf der Ausschüttung von stimmungsaufhellenden Hormonen beruht. So wirkt sich laut Dr. Piero Lercher im Interview mit fahradwien.at das tägliche Radeln zur Arbeit oder zum Bahnhof positiv auf das körperliche und psychische Wohlbefinden aus [2].

Zudem ist der positive Effekt des Radfahrens auf das Körpergewicht nachgewiesen – u.a. in einer dänischen Studie an knapp 20000 Männern und Frauen zwischen 1993 und 2003 konnte klar gezeigt werden, das regelmäßige Radfahrer und Radfahrerinnen eine geringere Neigung zu Übergewicht bzw. Adipositas aufwiesen [3]

 

 

Fazit

Alles in Allem bietet Fahrradfahren auch im Herbst und Winter eine gesunde, nachhaltige und kostengünstige Alternative zum Autofahren oder zum ÖPNV. Mit dem richtigen Equipment und einigen Tricks muss niemand frieren, schwitzen oder pitschenass am Ziel ankommen. Wir hoffen wir konnten einige Anregungen und Tipps liefern – welches Outfit oder welches Gadget der persönliche Favorit für die kalte Jahreszeit wird muss allerdings jeder für sich herausfinden.

 

[1] Radeln bei Wind & Wetter , TZ, 20.11.2012, https://www.tz.de/outdoor/radeln-wind-wetter-519207.html

[2] „Ein Radausflug wirkt stimmungsaufhellend und antidepressiv“ fahrradwien.at, 9.8.2018,
https://www.fahrradwien.at/2018/08/09/ein-radausflug-wirkt-stimmungsaufhellend-und-antidepressiv/

[3] Radfahren ist gesund: Studien belegen die positiven Effekte, A. Schmidt, radfahren.de, 22.8.2018, 
https://www.radfahren.de/gesundheit/radfahren-gesund-studien-positive-effekte/