E-Carsharing und Radl fahren statt eigenem Auto? „Das geht gar nicht“, dachten unsere Autorin und ihr Mann. Doch dann probierten sie es trotzdem – und machten erstaunliche Erfahrungen.

 

Im Frühjahr 2021 gab unser Benziner den Geist auf. Was tun? Einen Gebrauchten kaufen, der wenig kostet, aber auch wenig klimafreundlich ist? Oder ein neues E-Auto, das vielleicht klimafreundlich ist, aber viel kostet? Während wir noch überlegten empfahlen uns Freunde: „Probiert`s doch mal mit E-Carsharing. Ist gut für`s Klima und kostet wenig.“

Die wichtigsten Infos zum Umstieg vom eigenen Auto auf Carshaing

Alle wichtigen Infos zum E-Carsharing fanden wir auf den Internetseiten der Verwaltungsgemeinschaft Grafrath. Kurz darauf habe ich mich zur Registrierung bei Teilzeug angemeldet, ein paar Tage später saßen wir zum ersten Mal im RassoCar, einem weißen Renault Zoe.

Die erste E-Carsharing Ausfahrt

„Gib ordentlich Gas“, erklärte mein Mann, „diese E-Autos kommen sonst ja nicht vom Fleck.“ Holla die Waldfee! Sekunden später wurden wir in die Sitze gedrückt als säßen wir in einer Raumkapsel des Tesla-Gründers. „Wow“, tönte es neben mir, „das hätte ich echt nicht gedacht.“ Es sollte nicht die einzige erfreuliche Überraschung mit dem RassoCar bleiben.

„Na gut, dieser Renault Zoe ist ein Flitzer, aber billig ist er nicht“, erklärte mein Mann später und fing an zu rechnen: „2,50 Euro pro Stunde und 25 Cent pro Kilometer – ein Einkaufsbummel in den Pasing-Arcaden in München kostet uns in drei Stunden also satte 22,50 Euro. Mit zwei MVV-Tageskarten kommen wir deutlich günstiger weg, die kosten, Moment mal“, er tippte in den Taschenrechner, „ich hab`s: 22,40 Euro.“ Okay, der MVV ist vielleicht auch kein gutes Beispiel für günstigen Nahverkehr, wenn man nur ab und zu fährt.

 

Die Kosten im Vergleich

Und überhaupt, es geht ja um die langfristigen Kosten. Nehmen wir mal an, dieser Renault Zoe würde uns gehören, wir würden pro Jahr 10.000 Kilometer damit fahren und er würde 15 Jahre lang halten. Die Anschaffungskosten liegen im günstigsten Fall bei 30.000 Euro, macht umgelegt 2.000 Euro pro Jahr. Dazu kommt die KFZ-Versicherung – Vollkasko sind das rund 900 Euro. Stromkosten: Rund 600 Euro. Wartungs- und Reparaturkosten geschätzte 1.500 Euro. Macht insgesamt: Rund 5.000 Euro pro Jahr. Für dasselbe Geld kann man das RassoCar 1.000 Stunden lang mieten und in dieser Zeit ebenfalls 10.000 Kilometer zurücklegen. Kurzum: Finanziell gesehen ist E-Carsharing für die meisten Menschen deutlich günstiger als ein Autokauf.

 

Wie steht es mit der Bequemlichkeit?

Aber: Das RassoCar steht in Grafrath an der Schule. Wir wohnen in der Bahnhofsgegend – bei schönem Wetter im Sommer kann man von dort zur Schule radeln oder laufen, aber im Winter macht das keinen Spaß. Zum Glück gibt es die Buslinien des MVV, die in den letzten Jahren immer besser ausgebaut wurden. Die Busse der Linien 805 und 804 fahren durch ganz Grafrath. Also auch vomBahnhof aus bis zur Haltestelle an der Schule.

Im Laufe der Zeit entdeckten wir Vorteile des E-Carsharings, an die wir zu Beginn gar nicht gedacht hatten. Es fördert zum Beispiel sportliche Aktivitäten und erhöht die Ortskenntnis. Denn es ist ja so: Auch wenn die Leihe günstig ist – ein Spaziergang oder eine Fahrt mit dem Rad ist noch günstiger. Und so entschlossen wir uns im Sommer, unseren samstäglichen Einkauf auf dem Markt in Fürstenfeld nicht mehr mit dem Renault Zoe, sondern mit dem Radl zu absolvieren. Das klappte prima, unterwegs lernten wir auch noch die hübschen Seiten von Schöngeising kennen – und am Ende fühlten wir uns richtig gut. So half uns das RassoCar indirekt dabei, die Umgebung von Grafrath zu erkunden. Unter anderem fanden wir bei einer Radl-Spritztour nach Landsberied einen Biobauern, der hervorragende Eier, Kartoffeln und Möhren verkauft.

Auch, wenn es etwas klischeehaft klingt: Was meinen Mann endgültig davon überzeugte, dass wir gut auf ein eigenes Auto verzichten können, war der Umstand, dass sich Bierkästen nicht nur im E-Car gut transportieren lassen, sondern auch mit dem Fahrrad. Und auch der Transport unseres Weihnachtsbaums auf einer Schubkarre war viel lustiger als der vernadelte Kofferraum in den Jahren zuvor.

 

Und die Reichweite?

Die Reichweite des Renault Zoe liegt übrigens bei rund 300 Kilometern. Das genügt problemlos für eine Tour nach München und in die Berge – für eine Urlaubsreise an die Ostsee eher nicht. Andererseits: Durch den Verzicht aufs eigene Auto sparen wir so viel, dass locker eine Bahnreise in den Urlaub drin ist. Das wollen wir bald mal ausprobieren. Wie wir die Bahn kennen wird das bestimmt ein großes Abenteuer.

 

Text und Foto: Annette Fulda

 

Nachtrag: E-Carsharing nun auch in Kottgeisering verfügbar

Immer bequemer wird die Nutzung des Carsharings natürlich mit zunehmender Dichte an Angeboten. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass seit Ende `21 nun auch in Kottgeisering ein Carsharing verfügbar ist!